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Vergnügen, Liebe und das Paradies:
Die Gärten und der Generalife

"Für den Bauplatz eines Hauses inmitten von Gärten ist ein Hügel zu wählen, der Schutz und Bewachung erleichtert. Das Gebäude richtet sich gen Mittag, am Eingang des Anwesens; an der höchsten Stelle gräbt man den Brunnen und den Wasserspeicher, am besten so, dass vom Brunnen aus ein Kanal am Schattenhang fließt. Neben dem Becken pflanzt man Rabatten, immer grün gehalten, die den Blick erfreuen. Etwas entfernt muss es Blumenbeete und immergrüne Bäume geben."

Diesen Leitfaden für den Gartenbau schrieb Ibn Luyun im 13. Jahrhundert. Jenseits einer Schlucht, am Hang des Cerro del Sol, wurde Ende desselben Jahrhunderts der Generalife erbaut - Landhaus und zugleich Sommerresidenz der Sultane. "Das Haus der Glückseligkeit" nannte ihn der Dichter Ibn al-Yayyab - ein Ort der Ruhe und Erholung. Die Architekten scheinen sich wortwörtlich an die Anweisungen Ibn Luyuns gehalten zu haben. Obst- und Gemüsesorten wurden angebaut, die man zuvor in diesen Breitengraden gar nicht gekannt hatte: Spinat, Artischocken, Melone, Pfirsich, Zitronen, Mandeln - und vor allem Granatapfelbäume. Zur Vergrößerung der Anbaufläche legten die Baumeister Terrassen an. Ihre Mauern haben über Jahrhunderte der Witterung getrotzt.

José Tito Rojo, Experte für historische Gärten:

"Der Generalife ist das einzige Landgut im al-Andalus, das uns bis heute mit wiedererkennbaren Elementen erhalten geblieben ist. Das heißt, wenn wir zum Generalife hinüberschauen, unterscheidet sich heute die Landschaft kaum von der damaligen."

Aber der Generalife war nicht nur Landgut, sondern auch Sommerpalast. Eine wichtige Rolle spielen, wie in der Alhambra, die Gärten. Die Ästhetik der Nasriden kennt keine klare Abgrenzung zwischen Architektur und Natur, zwischen Haus und Garten. Die Synthese beider Elemente ist die Voraussetzung für Harmonie.

Zugleich erfüllen die Gärten eine soziale Funktion. Auch davon erzählen die Bilder aus dem Königssaal: Muslimische wie christliche Ritter kämpfen um die Gunst einer holden Jungfrau. Man unterhält sich am Brunnen, man spielt miteinander Schach. Oder - man überreicht den Damen Geschenke.

José Tito Rojo:

"Der Garten ist der Ort des Vergnügens, aber auch der Begegnung und der Liebe. Im Gegensatz zum privaten Wohnbereich ließ der Garten diese Art der Begegnungen zu. Hierzu sind uns überaus sympathische Anekdoten überliefert: Es gibt zwei Figuren, ein junger Mann und eine junge Frau. Eine Alte fungiert als Kupplerin, eine, die Treffen arrangiert. Und diese Dame erteilt dem Jüngling den Rat, um dieses Mädchen zu sehen, solle er doch einfach zu einem Fest in seinem Garten laden. Und sie fügt hinzu, man wisse ja, dass die Könige Gefallen daran fänden, vergnügliche Feste in ihren Gärten zu feiern."

Eine ganz andere Atmosphäre herrscht im Myrtenhof. Er ist Ausdruck der Macht. Hier konnten Botschafter und ihr Gefolge defilieren oder auch Untertanen dem Sultan ihr Anliegen vortragen.

José Tito Rojo:

"Wenn wir den heutigen Myrtenhof betrachten, erwartet uns eine doppelte Überraschung. Einerseits handelt es sich um Gärten, die erstaunlich genau ihrer Geschichte entsprechen. Der Myrtenhof unterscheidet sich kaum von dem, den einst die Katholischen Könige gesehen haben. Andererseits wirkt er trotzdem wie ein Garten eines minimalistischen Landschaftsarchitekten, wie ein Garten des 20. Jahrhunderts: ein weißes Rechteck aus Marmor, das durch drei grüne Rechtecke unterteilt ist: zwei aus Myrten, eines aus Wasser. Er ist von einer Einfachheit der Elemente, von einer klaren Struktur, die wie das Werk eines modernen Architekten wirken. Und doch ist er Resultat der Geschichte."

Der Hof ist nicht einfach eine Freifläche, sondern Teil des architektonischen Programms. Im Mittelpunkt: das Wasser. Im großen Becken werden aus einem Palast zwei - die horizontale Achse wird aufgebrochen, die Vertikale vermittelt ein Gefühl von erhabener Größe. Feine Wellenbewegungen halten die Reflektionen in ständiger Bewegung, mit der Sonne wandert das Licht - Räume scheinen nicht mehr konstant, Tiefen verschieben sich.

Nicht nur hier - überall in der Alhambra ist das Wasser ein wesentliches Element. Es spielt eine dreifache Rolle: als Teil der Architektur, als spirituelles Symbol oder einfach zur Verbesserung des Komforts.

Jesús Bermúdez López, Archäologe:

"Das Wasser ist fundamental für die Zivilisation des Islam und natürlich auch für das Wachstum der Festungsstadt, die damit gleichzeitig ihre Machtposition verstärkt. Gerade jetzt arbeiten wir an der Sicherstellung von sehr interessanten Komponenten, wie Wasserkanälen, Brunnen, Wasserspeichern und Schöpfrädern zum Verteilen des Wassers."

Die Wasserversorgung der Alhambra - ein höchst komplexes System aus Bächen, Kanälen, Wasserspeichern, unterirdischen Röhren, Becken und Brunnen. Über sechs Kilometer entfernt wird das Wasser dem Fluss Darro entnommen. Der Acequia Real, der Königliche Wasserkanal, verläuft parallel zum Flussbett.

Einst wurde das Wasser in einen Hügel geleitet, den Cerro del Sol. Von oben konnte man es aus einem Brunnen schöpfen und in ein Wasserbecken leiten. Neben dem Brunnen haben die Archäologen kreisförmige Spuren gefunden - hier plagten sich wohl Esel mit dem Antrieb des Schöpfrades.

Die Reservoire oberhalb der Alhambra sorgen durch den Höhenunterschied für den nötigen Wasserdruck. Kilometerlange Kanäle speisen Innenhöfe und Gärten, Wohnhäuser und Bäder. Bäche bewässern die Terrassen mit ihren Zier- und Nutzgärten. Der Acequia Real führt hier direkt durch den Palast des Generalife: Eine Synthese von Funktionalität und Ästhetik.

Die Wassertreppe - verspielt, aber doch funktional: Auch sie ist zugleich ein Kanal. Am äußeren Befestigungsring das Aquädukt, das die Alhambra versorgt - bei einem Angriff eine empfindliche Stelle, die Achillesferse der Festung.

Den "glücklichen Garten" nannten die Nasriden einst den Löwenpalast. Auch hier bildet das Wasser den Mittelpunkt. Vier Kanäle teilen den Hof. Sie könnten symbolisch für die vier Flüsse des Paradieses stehen - im Koran beschrieben als Ströme, die Wasser, Milch, Wein und Honig führen. Neben den Kanälen wuchsen einst Orangenbäume - und auch im Paradies erwarten den Gottesfürchtigen Früchte und Schatten. Der "Garten des Glücks" ist also ein Vorgeschmack auf das Paradies im Hier und Jetzt.

Alle Kanäle laufen zur Mitte, zum Löwenbrunnen. Zwölf Mäuler speien das Wasser wieder aus. Dank einem raffinierten System aber bleibt der Wasserspiegel im Brunnenbecken immer konstant. Die Löwen sind nur scheinbar gleich. Der Bildhauer hat die Marmorblöcke sorgfältig ausgesucht: Die Marmorierung verstärkt die Nachahmung des Fells und lässt Falten und Haare noch plastischer erscheinen.

Die Herkunft der Löwen ist nicht gewiss. Schon ein Gedicht aus dem 11. Jahrhundert beschreibt ähnliche Löwenfiguren in einem Palast, der in der Nähe der Alcazaba gestanden haben soll. Sicher ist aber: sie sind Symbole der Macht. Wie in Bereitschaft erscheinen sie in ihrer angespannten Haltung - als könnten sie jederzeit aufspringen, wenn der Sultan es befiehlt.

Das Brunnenbecken: ein Kreis inmitten des Gartens. Wieder eine geometrische Figur, die auf das Universum verweist. In den Außenrand des Brunnenbeckens gemeißelt das berühmteste Gedicht von Ibn Zamrak:

"Gibt es in diesem Garten nicht Wunder, deren Schönheit gleiche Gott selbst nicht hätte finden mögen? Geschnitten aus Perlen, aus durchsichtigem Licht, ist sie geschmückt für die vergossne Perle. Flüssiges Silber, fließend durch Kleinodien mit ihrer Schönheit, weiß und transparent. Was fließt, das ähnelt dem Starren so sehr, dass wir nicht wissen, welches von beiden da strömt. Siehst Du nicht: das Wasser läuft zum Becken, doch sie verschließt sein Bett, wie ein Liebender, dessen Tränen überfließen wollen, sie doch aus Angst vor Verrat bezähmt?"

Zugleich verbinden die Kanäle die vier Säle rings um den Hof. Die Brunnen im Marmorboden verbessern das Raumklima: an der Wasseroberfläche kühlt die Luft ab. Die Wände haben im unteren Bereich keine Fenster. Deshalb steigt die warme Luft nach oben und entweicht durch die Jalousien - wie in einem Kamin. Die Temperatur in den Sälen beträgt deswegen selbst im Sommer nur 22 Grad - äußerst angenehm in einer Gegend, in der das Thermometer oft vierzig Grad im Schatten anzeigt. Den Effekt optimierten die Baumeister durch die Ausrichtung der Gebäude: Im Sommer liegen die Haupträume im Schatten. Im Winter steht die Sonne tiefer, und ihre Strahlen wärmen den Innenbereich.

Die Einheit von Architektur und Natur - die flexible Nutzung des Raumes - der optimale Einsatz der natürlichen Ressourcen: Grundsätze einer vergangenen Kultur - und zugleich Wegweiser für kommende Generationen.