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Die Gladiatoren - siegen oder sterben

Bei der Eröffnungsfeier war auch Martial unter den Zuschauern. Sein Gedicht verewigte die todesmutigen Gladiatoren Priscus und Verus:

Als Priscus genauso wie Verus immer noch weiterkämpfte und lange Zeit der Ausgang für beide unentschieden war, erbat man mit lautem Geschrei die Entlassung für die Männer. Aber Caesar gehorchte seinem eigenen Gesetz.

Das Gesetz war: mit abgesetztem Schild zu kämpfen, bis einer den Finger heben würde.

Auch die Gladiatorenkämpfe waren zur Zeit Vespasians nichts Neues. Jahrhunderte lang übten sie eine magische Anziehungskraft aus - sie gelten als der gefährlichste Kampfsport aller Zeiten.

Marcus Junkelmann, Militärhistoriker und Experimentalarchäologe:

"Es gibt zwei Fragen, die die Forschung schon seit langem immer wieder bewegen: Wo kommt die Gladiatur her und wie ist sie zu Ende gegangen? Was die Ursprünge anbetrifft, gibt es vor allem die etruskische These, die von den Römern selber stammt - man hat ja immer sinistre Dinge, die man übernommen hat, gern den Etruskern zugeschoben. Und zum andern gibt es die kampanisch-süditalische Theorie, die sich auf das bessere archäologische Material stützen kann. Wir haben im 4. Jahrhundert vor Christi zahlreiche Fresken in Gräbern, die so eine Art Proto-Gladiatur zeigen: Wir sehen bewaffnete Zweikämpfe, die in Zusammenhang mit Totenkult, mit Totenfeiern stattfinden, wo auch Blut fließt. Das sind noch keine richtigen Gladiatoren, aber das scheint diesen Weg zu weisen, was nicht ausschließt, dass es bei den Etruskern auch so was gegeben hat."

Die Gladiatoren schworen ihrem Manager, dem Lanista, einen Eid, sich für ihn brennen, fesseln, schlagen und mit dem Schwert töten zu lassen - nicht immer ganz freiwillig. Aber die Aussicht auf Ruhm und Bewunderung war eben auch für manch freien Römer verlockend.

Marcus Junkelmann:

"Die Identität der Gladiatoren hat sich sicher im Laufe der Jahrhunderte etwas verschoben. Am Anfang durften es hauptsächlich Kriegsgefangene gewesen sein, die ja gleichzeitig auch Sklaven waren und über die man faktisch verfügen konnte: Man hat sie im Kriege geschont, also konnte man mit ihnen machen, was man wollte. Und so konnte man sie auf Leben und Tod kämpfen lassen. Ab der Wende von der Republik zu Kaiserzeit gibt es in wachsendem Umfang, auch toracli, d.h. Leute, die einen Vertrag unterschrieben haben, die freiwillig gekämpft haben. Das wurde gerade im ersten Jahrhundert nach Christi öfters verboten, weil selbst Adelige sich immer wieder gemeldet haben. Alle Arten des öffentlichen Auftretens vor Publikum, egal ob Theater-Spielen oder Rennwagen-Fahren, Boxen oder Gladiatorenkampf waren eines vornehmen Römers nicht würdig, das war eine Art von Prostitution."

Einmal Gladiator, hieß es tagein, tagaus trainieren und nochmal trainieren. Extra dafür eingerichtete Kampfsportschulen garantierten eine professionelle Ausbildung, ausgewählte Ernährung und erstklassige medizinische Versorgung für die Spitzensportler - und all das auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Eine willkommene Gelegenheit für Ärzte, ihre Kunst der Wundversorgung und Heilung von Knochenbrüchen zu perfektionieren. Selbst Opiate wandten sie bei größeren Operationen an. Übrigens ein Wissen, das letztendlich den Frontkämpfern der römischen Legionen zugutekam.

Gladiatoren waren Gefangene, und doch lebten sie privilegiert. Sie hausten in kleinen Zellen, und doch konnten sie am Tag mehr verdienen als Legionäre im Jahr. Sie waren eigentlich die Ausgestoßenen der Gesellschaft, und dennoch wurden sie als Helden verehrt und gefeiert. Für einige Frauen, selbst aus bestem Hause, stellten die Gladiatoren eine unglaubliche Versuchung dar. Sie konnten ihren Rockstars kaum widerstehen. Sex hatten sie aber nicht nach, sondern vor dem Auftritt der Gladiatoren. Am Abend zuvor finanzierte der Editor ein großes Festbankett für seine Kämpfer. Frauen hatten freien Zutritt. Sie wussten: ihre Liebhaber konnten bereits am nächsten Tag tot aus der Arena getragen werden - ein ganz besonders erotischer Reiz.

Am nächsten Morgen ist es dann soweit. Die ersten Männer bereiten sich auf ihren Einsatz vor. Einige werden noch ganz verkatert sein von den Exzessen der letzten Nacht. Doch der anstehende Kampf, Mann gegen Mann, lässt statt Blut Adrenalin durch ihre Adern fließen.

Gladiatoren traten in festen Kombinationen gegeneinander an. Ein Schiedsrichter überwachte dabei streng die Regeln. Der Reiz des Kampfes lag vor allem in scheinbar ungleichen Paaren. Tatsächlich aber waren Bewaffnung und Körperschutz fein aufeinander abgestimmt.

Marcus Junkelmann:

"Ein richtiger professioneller Gladiatorenkampf sollte ein freier Kampf sein, in dem beide ihre Tüchtigkeit beweisen konnten. Und das wäre ruiniert worden, wenn einer irgendwelche unfairen Vorteile gehabt hätte. Die Gladiatur war ja immer auch ein Zelebrieren militärischer Werte. Das heißt, das war nicht einfach ein Gemetzel, wo der reine Voyeurismus und Sadismus sich austobte, wobei diese Gesichtspunkte natürlich auch da waren. Aber im Gegensatz zum Theater, das als lasziv und korrupt galt, galt für die Gladiatur das "Prädikat besonders wertvoll". Da konnte man etwas lernen, etwa stoische Todesverachtung. Oder wie es mal Plinius der Jüngere über Kaiser Trajan sagt: Du hast nicht dem Volk laszive Theaterspiele geboten, sondern männliche Gladiatorenkämpfe, wo man lernt: Die Verachtung des Todes und die Liebe zu schönen Wunden."

Zwei Fanblöcke gab es: Die scutarii schwärmten für Gladiatoren mit rechtwinkligem, großem Schild, dem scutum. Ihre Favoriten hießen provocator, murmillo oder secutor. Gladiatoren wie der thraex hingegen trugen den kleinen Schild, die parmula - ihre Fans nannten sich parmularii.

Der Provocator trat nur gegen Seinesgleichen an. Er kämpfte mit freiem Oberkörper. Der Helm mit der breiten Krempe erinnerte an den des Legionärs. Bei ihm aber war das Gesichtsfeld geschützt - so konnte er offensiv kämpfen: er musste seinen Kopf nicht hinter dem Schild verstecken. Zu seinem Schutz trug er außerdem Brustblech, Ledergamaschen und eine halblange Beinschiene. Die manica, der Armschutz bestand aus Leinen und Leder, mit Riemen befestigt. Zum Angriff nahm er das gefürchtete Kurzschwert der Legionäre, nach dem alle Gladiatoren benannt sind: den gladius.

Auch diese beiden Gladiatorinnen oder gladiatrices namens Amazon und Achillia sind Provocatores. Das Relief ist eines der wenigen Zeugnisse für weibliche Kämpfer. Die antiken Quellen erwähnen sie zwar, doch wird es bei wenigen Ausnahmen geblieben sein. Zu sehr waren Tapferkeit und Todesverachtung männliche Attribute.

Der Murmillo. Sein Helm besaß meist einen hohen geknickten Kamm. Zusammen mit Schild und Beinschiene bot er Schutz, dazu trug auch der Murmillo die Manica als Armschutz - und auch er musste im richtigen Moment mit dem Gladius zustechen. Der Murmillo war ein perfekter Kontrapart zu Thraex und Hoplomachus. Später trat er auch gegen den Retiarius an.

Der Thraex. Der Name verweist auf seinen Ursprung aus Thrace, dem heutigen Bulgarien - daher auch das typische Krummschwert, bestens geeignet für Attacken, die den Gegner hinter dem Schild verwunden sollen. Sein Gegner war der Murmillo.

Der Secutor, der Verfolger, war eine Variante des Murmillo. Sein Erkennungszeichen aber war der kaum verzierte Helm mit kleinen Augenlöchern. Daran konnte sich das Netz des Retiarius nicht so leicht verfangen.

Der Netzkämpfer war der Publikumsliebling. Mit Netz und Dreizack erinnerte er an Neptun, den Gott des Meeres. Als einziger Schutz diente dem retiarius der Schulterschirm. Aber ohne Kopfschutz und Schild war er seinem Gegner nur scheinbar unterlegen - seine Stärke waren List und Gewandtheit. Mit dem gefürchteten Dreizack konnte er den Gegner auf Distanz halten. Er ermüdete den Gegner und fing ihn mit dem Netz oder brachte ihn zu Fall.

Wenn ein Gladiator nicht mehr weiterkämpfen konnte, hob er die Hand mit ausgestrecktem Finger und legte seine Waffen nieder. Das berühmte Gemälde "Pollice verso" aus dem 19. Jahrhundert erzählt davon. Wie kein zweites Werk hat es die populäre Vorstellung von der Welt der Gladiatoren geprägt. Auch wenn historisch nicht alles belegt ist, erweckt der Maler Jean-Léon Gérôme die Arena eindrucksvoll zum Leben.

Siegesstolz setzt der Gladiator seinen Fuß auf den unterlegenen Gegner. Zum Todesstoß wird er das Schwert anlegen. Der am Boden liegende versucht verzweifelt, seinem Schicksal zu entrinnen. Er bittet um die Entlassung, die Missio. Furien gleich heizen die Vestalinnen die Stimmung an: Daumen nach unten, pollice verso. Der Kaiser zögert noch, doch das Volk will Blut sehen.

Vielleicht war das entscheidende Zeichen gar nicht der nach unten gerichtete Daumen: womöglich führte die Bewegung mit dem Daumen zur Kehle. Doch eines ist sicher: Auf Geheiß des Kaisers hatte der Todgeweihte zu sterben. Erst das war das Ende seines Auftritts, der eigentliche Showdown. Ein Gladiator musste zu sterben wissen. Nun konnte er es beweisen - kniend vor den Göttern und dem Kaiser. In all den Jahren des harten Trainings hatte er diesen Moment vor Augen gehabt. Nicht mit Furcht, sondern mit Anmut und Ergebenheit empfing er das Schwert.

Selbst Skeptiker ließen sich von solchen Szenen mitreißen. Ein Schüler des Philosophen Augustinus schilderte seine wundersame Verwandlung in einem Brief:

"Wir setzten uns, wo noch ein Platz offen war, und alles glühte in unmenschlicher Lust. Ich schloss die Augen. Hätte ich doch auch meine Ohren verstopft! Denn als einer im Kampfe fiel und das ganze Volk ein mächtiges Geschrei erhob, erlag ich der Neugierde. Ich öffnete die Augen. Und meine Seele ward von schwererer Wunde getroffen. Denn da ich das Blut sah, da sog ich zugleich den Blutdurst ein und ergötzte mich an dem frevelhaften Kampfe und ward berauscht. Nun war ich nicht mehr derselbe, als welcher ich gekommen war. Ich sah, ich schrie mit, ich spürte das wahnsinnige Verlangen, immer wieder hinzugehen."

Die toten Gladiatoren trug man durch die Porta Libitinaria, geweiht der Venus Libitina, der Göttin des Todes. Im Spolarium nahm man ihnen die Montur ab. Kampfgefährten schnitten ihnen ein zweites Mal die Kehle durch. Wahlweise nahm man auch ein glühendes Eisen zur Probe oder einen Bronzehammer für einen gezielten Schlag auf den Kopf. Falls einer nur simuliert hatte: nun war er wirklich tot. So verhinderte man ein abgekartetes Spiel - schließlich wetteten die Römer gerne auf Leben oder Tod des Gladiators.

Priscus und Verus übrigens hatten Glück: Beide kämpften mit vollem Einsatz, beide waren Sieger. Ein Unentschieden. So beendet Martial sein Gedicht: Kaiser Titus überreicht beiden die Siegespalme und ein hölzernes Schwert, die Rudis - und schenkt ihnen damit die Freiheit.

Tatsächlich starb nur jeder zehnte Gladiator bei den Spielen. Denn Gladiatoren waren eine lukrative Geldanlage für die Manager. Wie Fußballprofis verkaufte man sie an andere Mannschaften. Wer seine Freiheit als Gladiator zurückgewann, konnte sich als Trainer in Gladiatorenschulen verdingen oder auch als Leibwächter. Für reiche Römer war es schick, die gestählten Männer in ihre Dienste zu stellen.

Marcus Junkelmann:

"Wir wissen von zahlreichen Grabsteinen, dass sie ein vergleichsweise normales Leben hatten, dass sie Frauen hatten, Kinder hatten, die mit gefühlvollen Inschriften Grabsteine gesetzt haben. Die Abbildungen, wenn sie sich in Szene setzen auf ihren Grabsteinen, mit Siegespalme, mit ihrer ganzen Ausrüstung, in der Siegerpositur oder in der Kämpferpositur, zeugen von Selbstbewusstsein, von Berufsstolz. Man darf also nicht nur die Underdogs in ihnen sehen."

Siegeswille, Todesverachtung und Tapferkeit waren die Kardinaltugenden der römischen Gesellschaft. Der Gladiator war der Inbegriff dieser Tugenden. Er wurde zum Symbol einer ganzen Epoche.