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Fantastische Geschäfte
Fantastische Geschäfte
Pflanzen in einer Kristallvase - ganz genau hat Hans Holbein der Jüngere die Brechung des Lichts studiert: zunächst im Wasser... dann im Glas ohne Wasser... und schließlich die Stängel oberhalb der Vase. Neben Rosmarin, Basilikum und Goldlack stehen Nelken. Weil sie bis zum Verwelken ihre Farbe behalten, symbolisieren sie ewige Treue. Und das ist wichtig - denn dieses Bild ist ein Verlobungsbild.
Wie Hieronymus Holzschuher ist auch Georg Gisze ein wohlhabender Kaufmann. Er lebt in London, stammt aber aus Danzig, und will sich seiner Braut in der Heimat empfehlen. Deshalb zeigt Holbein ihn in der Welt des reichen Kaufmanns - und schreibt sicherheitshalber dazu:
"Was du hier siehst, dies Bild, zeigt Georgs Züge und Aussehen. So lebendig ist sein Auge, so sind die Wangen geformt in seinem vierunddreißigsten Lebensjahr im Jahre des Herrn 1532."
Gisze sitzt am Tisch in seinem Kontor, umgeben von Gegenständen seiner täglichen Arbeit: ein Petschaft und ein Siegelring... Schreibfedern... und Rechnungsbücher. Besonders schön: ein Fadenspender, aus dessen unterem Ende man den Bindfaden ziehen kann. Ringsumher eine Menge Briefe, die von Giszes weltläufiger Korrespondenz zeugen. Sie sind so fein gemalt, dass man die Schrift lesen kann - in seiner Hand etwa ein Brief von seinem Bruder:
"dem erszamen Jergen Gisze to Lunden in engelant mynem broder to handen".
Auch Hans Holbein selbst lebt zu dieser Zeit schon in London. Er stammt aus Augsburg und hat es zunächst in Basel zu Ruhm und Ehren gebracht. Dort aber setzt sich die bilderfeindliche Reformation durch, und so zieht es ihn 1532 nach England. Er spezialisiert sich auf Porträts und wird 1536 Hofmaler Heinrichs des Achten. Sieben Jahre später wütet die Pest in London - und mitten in der Arbeit fällt ihr auch Holbein zum Opfer.
Holbein und Dürer sind berühmte Maler, Gisze und Holzschuher, die sie porträtiert haben, sind erfolgreiche Unternehmer. Lucas Cranach ist beides zugleich. Mit bürgerlichem Namen heißt er "Lucas Maler", geboren 1472 im fränkischen Kronach - daher sein Künstlername. Nach der Ausbildung zieht er für drei Jahre nach Wien. Dort entsteht dieses Bild, mit dem er die "Donauschule" begründet.
Das Heilige Paar ist auf der Flucht nach Ägypten - und sitzt hier mitten in einer süddeutschen Landschaft. Ganz im Sinne der Renaissance spielen die detailliert gemalte Landschaft und die Pflanzen eine wichtige Rolle. Wieder tauchen Erdbeeren als Symbol für die Passion auf, daneben diesmal Disteln als Anspielung auf die Dornenkrone. Die musizierenden Engel wirken wie ganz reale Kinder, denen Cranach Flügel angesetzt hat. Und wie alle deutschen Künstler hat auch er von Dürer gelernt: den Josef hat er einem von dessen Holzschnitten entlehnt.
Dieses Bild ist das erste, das Cranach signiert hat - noch mit seinem Monogramm LC und der Jahreszahl 1504. Einige Jahre später hat er ein neues Markenzeichen. Die geflügelte Schlange mit einem Rubinring im Maul wird weithin berühmt. Kurfürst Friedrich der Weise hat ihm das neue Signet verliehen, ab 1505 ist Cranach sein Hofmaler in Wittenberg. Dort entsteht vierzig Jahre später dieses einzigartige Bild: Der Jungbrunnen - ein alter Traum der Menschheit.
Links werden alte Frauen aus einer felsigen, unfruchtbaren Landschaft herangeschafft. Ein Gelehrter untersucht sie genau.as danach im Brunnen geschieht, hat später der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs beschrieben:
Das Wasser het so große krafft:
Welch Mensch mit alter war behafft,
Ob er schon achtzig-jerig was
Wann er ein stund im prunnen saß,
So theten sich verjungen wider
Sein gmüt, hertz und alle gelieder.
Männer allerdings sucht man hier im Bad vergeblich! Lucas Cranach reicht es offenbar, wenn die Frauen wieder jung werden.
Nach einer stund mit freyen sprüngen
Sprangen sie auß dem prunnen rund,
Schön, wolgefarb, frisch, jungk und gsund,
Gantz leichtsinnig und wol-geperig,
Als ob sie weren zwantzig-jerig.
Der Brunnen ist vor allem auch ein Liebesbrunnen: auf dem Brunnenstock steht Venus mit Amor. Und die Frauen werden nach ihrem Bad in einer fruchtbaren Landschaft von Männern empfangen. Cranach lebt hier womöglich auch seine eigenen Träume aus - als das Bild entsteht, ist er 75 Jahre alt.
Allerdings kann man nicht sicher sagen, ob er das Bild wirklich selbst gemalt hat. Zumindest teilweise ist es ein Serienprodukt seiner großen Werkstatt: Die schönen, jungen Frauen rechts sehen aus, als wären sie geklont: alle haben dieselben Haare, dieselben Brüste und denselben vorgewölbten Bauch - der Frauentyp der "Marke Cranach". Dieselben Kindfrauen finden sich auf vielen anderen Bildern der Werkstatt - zum Beispiel auf dieser Kopie eines Altars von Hieronymus Bosch. Besonders die damals so genannten "Nackerten Bilder" produzierte Cranachs Unternehmen wie am Fließband - gut 1000 Gemälde sind heute noch erhalten, einst waren es wohl 5000. Noch auf seinem Grabstein nennt die lateinische Inschrift Cranach einen "Schnell-" beziehungsweise "Vielmaler."
Dabei ist er nicht nur Maler: er eröffnet eine Weinschenke, betreibt die Wittenberger Apotheke, wird Verleger, Buch- und Papierhändler, Stadtkämmerer und schließlich mehrmals Bürgermeister von Wittenberg - ein wahrer Multi-Unternehmer.
Ein paar Häuser weiter in der Schlosskirche predigt sein guter Freund Martin Luther. Immer wieder porträtiert Cranach ihn auf Gemälden und Grafiken - und wird so zum Begründer der protestantischen Bildertradition.
Über hundertfünfzig Jahre lang besteht die Werkstatt mit dem Logo der geflügelten Schlange. Noch Cranachs Urenkel führt sie im alten Stil. Sechshundert Kilometer weiter westlich entsteht fast zur gleichen Zeit ein anderer Malerclan, der zu einem der berühmtesten der Kunstgeschichte wird: vom besten Bauernmaler bis zum größten Meister des Barock in Flandern.