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Französische Eleganz in Sanssouci

Am 1. September 1715 stirbt Ludwig XIV. - und ganz Frankreich atmet auf. Zweiundsiebzig Jahre lang war er König, so lange wie kein anderer in der Geschichte Europas. Sein Nachfolger ist erst fünf Jahre alt, deshalb übernimmt Herzog Philipp von Orléans die Regentschaft. Und so wird die neue Zeit als die "Régence" in die Geschichte eingehen. Der Hof zieht von Versailles zurück nach Paris, man feiert, die Künste blühen auf, alles wird leichter, heiterer, vor allem das Theater begeistert die Menschen. Das ist die Welt des beginnenden Rokoko - die Welt von Antoine Watteau. Er malt elegante Bilder, von Festen und immer wieder vom Theater - wie hier von der Französischen und der Italienischen Komödie.

Bei Mondschein haben sich die Schauspieler der Commedia dell' arte versammelt - im Mittelpunkt Pierrot und Mezzetin. Der eine hat eine Fackel, der andere eine Gitarre - damit verweisen sie auf die Fundamente des Theaters: Licht und Ton - Spiel und Dialog - Sehen und Hören. Die Komödie als Genuss für die Sinne.

Die Eleganz und Leichtigkeit von Watteaus Welt zeigt auch "Der Tanz" aus der Zeit um 1719. Kinder spielen ein Hirtenstück, im Mittelpunkt die anmutige Iris. Ihr Blick ist noch voll kindlicher Unschuld, aber zugleich schon ein bisschen kokett. Wie eine große Dame greift sie in ihr kostbares Kleid - bereit zum Tanzen. Bald wird sie eine junge Frau sein. Und sie wird sich verlieben. Überall um sie herum sind Hinweise darauf: der Schild deutet eine Herzform an - daneben der Pfeil Amors - im Korb rote und weiße Rosen. Der Hund als Tugendwächter schläft.

Heute ist das Bild rechteckig - ursprünglich aber war es rund. Es ist gut zu erkennen, wo man damals angestückelt hat. Vielleicht ist es umgearbeitet worden, um zur Ausstattung eines Zimmers zu passen. Denn solche Bilder waren damals Teil der Dekoration in den Schlössern: Architektur, Inneneinrichtung, Skulpturen, Malerei - im Rokoko verschmilzt alles zu einer sorgfältig komponierten Einheit. Oft sind Gemälde in die Wandvertäfelung eingelassen - wie hier im Musikzimmer von Schloss Sanssouci, der Sommerresidenz von Preußens berühmtestem König: Friedrich dem Großen.

Friedrich liebt alles Französische. Als Kronprinz und junger König sammelt er vor allem Bilder zeitgenössischer französischer Maler. Alleine fünfzehn Gemälde von Watteau hängen noch heute in den Schlössern von Berlin und Potsdam, vier weitere besitzt die Gemäldegalerie.

Dieses Bild zeigt Friedrich etwa ein Jahr vor seiner Krönung. Es ist eines der letzten, für das er persönlich Modell gesessen hat - das wird er in den folgenden Jahrzehnten ablehnen. Das Gemälde stammt von Friedrichs Hofmaler Antoine Pesne - auch er Franzose. Er hat schon für Friedrichs Vater und Großvater gearbeitet.

Hier hat er im Jahre 1754 seine Arbeit kurz unterbrochen, um sich und seine Töchter vorzustellen. Neben dem Meister sein Zeichenstift, jederzeit bereit, die Schönheit einer Blume festzuhalten. Im Vordergrund die antiken Wurzeln der Malerei: Ovids Buch von den "Metamorphosen", wie bei Rubens Stoff für Erzählungen, und die Skulptur, vertreten durch die Gipsbüste des berühmten Apoll vom Belvedere.

71 Jahre alt ist Pesne, und er hat es weit gebracht: sein teures Gewand zeigt, dass er einem Aristokraten bei Hofe ebenbürtig ist. Auch Mops und Spaniel sind modische Statussymbole. Man spürt die Wertschätzung, die Pesne am preußischen Hof genießt.

Friedrich II. liebt die Kunst. Und er nutzt sie, um Staat zu machen. In den preußischen Schlössern hat es schon lange Bildergalerien gegeben - Friedrich aber lässt zum ersten Mal ein eigenes Gebäude für seine Sammlung bauen. Sie soll auch die wachsende Bedeutung von Preußen demonstrieren. Dafür sammelt der König nun systematischer: durch ganz Europa reisen seine Agenten, um repräsentative Stücke anzuschaffen. Sie leisten sich manchen Fehlgriff - aber sie kaufen auch große Meisterwerke: Rubens' Geschichte von Perseus und Andromeda etwa, seine "Heilige Cäcilie" oder Coreggios "Leda mit dem Schwan".

Aber Friedrichs Galerie ist noch immer Teil der Schlossanlage. Ende des Jahrhunderts wird der Ruf nach einem wirklich öffentlichen Museum immer lauter. Und nachdem Napoleon Europa verändert hat, wird die bürgerliche Aufklärung auch in Preußen zum Ideal. Die alten Meister sollen nun alle Menschen "zuerst erfreuen, und dann belehren". Eine Kommission holt die besten Gemälde aus den Schlössern, dazu kommen die Bilder der Giustiniani und von Edward Solly - den angemessenen Rahmen schafft der berühmteste Architekt Preußens, Karl Friedrich Schinkel - und am 3. August 1830 wird schließlich das "Königliche Museum" feierlich eröffnet.

Seither hat sich in Krieg und Frieden die Welt verändert. Berlin ist eine andere Stadt, aus den "Königlichen" sind die "Staatlichen Museen" geworden - aber ihre Bestimmung ist geblieben:

Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie:

"Noch heute könnte man über die Gemäldegalerie in Bronzelettern den Satz schreiben "Zum Erfreuen und zum Belehren". Beides soll ein Bild ermöglichen: man soll etwas daraus lernen, aber man darf es auch voll Freude betrachten, man darf sich daran erfreuen. Und genau das ist auch Zweck der Gemäldegalerie: dass man sich freut an den Bildern, an den unterschiedlichen Spielarten der Kunst, und dass man gleichzeitig aber etwas mitnimmt, dass man etwas lernt über frühere Kulturen, man sieht, wie unterschiedlich Temperamente und Affekte dargestellt wurden, wie sich Moden verändern, und wie sich auch Handschriften, stilistische Eigenarten der Künstler im Laufe der Zeit immer wieder wandeln.
Und vielleicht ist gerade das für viele Besucher faszinierend, wie sehr all die Dinge, mit denen wir uns umgeben oder umgeben haben, Veränderungen unterworfen sind, und damit begreifen wir im Durchgang durch unsere Galerie vielleicht auch, wie zeitgebunden auch das ist, was wir heute als zeitgenössisch erfahren und kennenlernen."